Artists 2020
Platzhirsch Duisburg // Artists 2020
Platzhirsch Duisburg
Auch wenn manch HipHop-Fan dieser Tage zum ersten Mal von ihm hört: Sonne Ra ist ein alter Hase, was Rap angeht. „Mula 4 Life“ ist das Motto und in besagtem Leben spielt HipHop schon seit geraumer Zeit eine große Rolle. Die chaotischen Nachwendejahre in Erfurt, offener Rassismus und Gewalt einerseits, die identitätsstiftende Kraft der jungen HipHop- Kultur andererseits – dieses Umfeld prägte den musikalischen Werdegang von Sonne Ra. Und daraus entwickelte er einen Style, der auch in der äußerst heterogenen Rap-Gegenwart deutlich hervorsticht: den Mula-Funk. Wer sich nun fragt, was es mit dem Begriff „Mula“ auf sich hat, der muss weit zurück in der Geschichte von Sonne Ra: Als Sohn eines Afrikaners und einer Deutschen in der DDR aufgewachsen, sah Ra sich schon im Kindesalter mit Vorurteilen konfrontiert – und führte in der Schule akribisch Buch darüber, wer ihm welche rassistische Beleidigung an den Kopf warf. Bis seine damalige Lehrerin einen vermeintlichen Schlussstrich zog und die ihrer Meinung nach passende Bezeichnung für Ra an die Tafel schrieb: „Mulatte“ stand da. „Ich hab mir das einfach angeeignet, so wie die Schwarzen in Amerika das N-Wort“, erklärt Ra. „Aber ich finde, ‚Mula‘ kann jeder benutzen, ob schwarz oder weiß. Bei mir steht das für Homie, Freund, Kollege.“
Musikalisch fing alles an mit einer gewissen Sha ́ifa Malik Mami Watu, die aus dem fernen Atlanta nach Erfurt kam, sich als HipHop-Botschafterin betätigte und in der offen xenophoben Atmosphäre der ostdeutschen Provinz kreative Inseln und eine funktionierende HipHop-Infrastruktur etablierte. „Sie hat damals einen Raum geschaffen, in dem sich Afrodeutsche und Migranten trafen und sich austauschten. Irgendwann fragte sie mich, ob ich nicht bei einem HipHop-Jam auftreten wollte“, erinnert sich Ra. „Ich hatte zwei Monate Zeit, hab ein paar Sachen geschrieben und bin auf die Bühne gegangen – und alle sind ausgerastet.“ Ernste musikalische Ambitionen entwickelte Ra jedoch erst im Alter von 19 Jahren, als es auch privat ernster wurde. „Der eigentliche Anlass, Musik zu machen, war die Geburt meines Sohnes. Ich wollte etwas schaffen, Verantwortung übernehmen, und nicht nur in den Tag hineinleben.“ Die Musik fand in der Folge als Familienunternehmen statt: Seine Frau Sadgda Jamama machte die Beats, Sonne Ra rappte. Unter wechselnden Künstlerpseudonymen und in Zusammenarbeit mit seiner Crew O.F.D.M. entstanden so über die 2000er hinweg eine ganze Reihe von Alben und Kollaborationen mit u.a. Schaufel & Spaten, Aceyalone und Roc Marciano, alles jedoch größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit – die
etablierten Szenemedien verstanden den Mula-Funk schlicht und ergreifend nicht. Das sieht mittlerweile jedoch ganz anders aus: Seit der dreifache Familienvater nicht mehr ausschließlich in seiner kleinen Nische werkelt und zunehmend auf musikalische Unterstützung einschlägig bekannter Produzenten setzt, erweitert sich sein Hörerkreis zunehmend. So finden sich auf „Mula 4 Life“ nebst Produktionen seiner Kollegen aus dem Funkverteidiger-Kosmos auch Beats von Dexter, Brenk Sinatra, Suff Daddy und Figub Brazlevič, die sich in den letzten Jahren als Speerspitze der hiesigen Beat-Szene etablieren konnten – und Ra den perfekten Soundteppich für seine entspannt-sperrigen Vocals lieferten.
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